TikTok, Tinder und Twitch – drei Formate, mit denen man das 1949 gegründete Online-Versandhaus OTTO vorerst nicht in Verbindung bringen würde. Doch anstelle eines traditionellen Weihnachtswerbespots scheint der E-Commerce-Riese dieses Jahr eine gänzlich andere Zielgruppe anzuvisieren: die Generation Z. Seit Mitte November läuft die Kampagne auf den verschiedenen Social-Media-Kanälen und setzt noch bis Anfang Januar auf Engagement und Interaktion.
Welche Inhalte auf welchem Kanal ausgespielt werden und was Marketer von diesem unkonventionellen Richtungswechsel lernen können, erfahrt Ihr in diesem Artikel.
Tinder-Kampagne, #FreuDichHart Challenge und Twitch Loot Troop – Die Kampagnen im Überblick
Das Gesicht der breit angelegten Kampagnen auf Tinder, TikTok und Twitch ist Moderator Ricky Anchorman, der sich auffällig mit Schnauzbart im grünen Anzug und Fliege präsentiert. Je nach Plattform interagiert er anders mit den Usern, gibt Tipps für die Vorbereitung auf Weihnachten und sorgt für gute Laune im Wintermonat.
Das Flirt-Quiz auf Tinder
In der Dating-App Tinder schaltete Otto rund um den Single-Day am 11. November ein Single-Quiz, bei dem die Nutzer drei Fragen beantworten mussten. Als „Gewinn“ erfuhren sie, welcher Single-Typ sie waren und bekamen von Ricky Anchorman einen persönlichen Flirtspruch für die Partnersuche.
Die #FreuDichHart Challenge auf TikTok
Auf der besonders bei Jugendlichen beliebten Video-Plattform TikTok spielt der Versandhändler vom 15. bis 22. Dezember mit Emotionen: Im Rahmen der Branded Hashtag Challenge #FreuDichHart können die User einen eigenen Otto-Filter nutzen, der wie ein Spielautomat funktioniert. Der Filter wird bei der Aufnahme eines Videos eingestellt. Dabei laufen in einem Textfeld die Namen ungewöhnlicher Otto-Produkte durch. Heben die User ihre Hand, in Anlehnung an den Hebel beim Spielautomaten, bleibt das Textfeld bei einem Produkt stehen. Die User freuen sich auf ihre ganz eigene Art und laden das Video unter dem Hashtag der Challenge hoch.
Der Loot Troop auf Twitch
Twitch ist ein Livestreaming-Portal, das in erster Linie von Gamern genutzt wird. Hier holt sich Otto die Aufmerksamkeit der User durch eine plötzliche Produktplatzierung, die auf Twitch Loot Troop heißt und im Livestream eingeblendet wird. Die Produkte sind dabei nicht irgendwelche, sondern wurden vorher im Chat von den Usern als Weihnachtsgeschenke gewünscht. Wer dann den Loot Troop sieht und das platzierte Produkt als erster im Chat nennt, gewinnt es. Die Aktion läuft in der Cyberweek, die meistens nach dem Black Friday Ende November bis Anfang Dezember stattfindet.
Kampagnenziel: Generation Z – Interaktion, Engagement und Spaß
Da sein, wo die (junge) Zielgruppe ist – nach diesem Motto konzentriert Otto seine neue Marketing-Strategie auf die Social-Media-Plattformen, die bei den Millennials und der Generation Z von 16 bis 25 Jahren angesagt sind. Dabei werden aber die klassischen Kanäle keineswegs vernachlässigt, da die junge Generation die bisherige Zielgruppe zwar erweitern, aber keinesfalls ersetzen soll. Die älteren Kunden kennen Otto weiterhin als traditionellen Versandhändler und werden auch über altbewährte Medien angesprochen. Otto schaltet daher seine Weihnachtskampagnen parallel digital und crossmedial auf TV- sowie Out-of-Home Flächen. Online-Ads und Werbung auf Facebook sowie Instagram runden die Mediaplanung ab. Doch nicht nur bei der Zielgruppe schlägt Otto unkonventionelle Wege ein. Die neue Kampagne soll ein bewusster Gegensatz zur „traditionellen“ emotionsüberladenen Weihnachtswerbung sein, die mit den Idealbildern von Bilderbuch-Festtagen spielt. Otto will stattdessen weihnachtliche Besinnlichkeit mit Spaß und Leichtigkeit verbinden – und sich so natürlich geschickt von der Konkurrenz abheben.
Tinder, TikTok und Twitch – Fakten zu den Kanälen
Alle drei Kanäle, die Otto für seine neue Weihnachtskampagne ausgewählt hat, werden überwiegend von jungen Leuten benutzt. Jede Plattform hat einen anderen Fokus und ist in ihrem Gebiet führend. Tinder ist die beliebteste Dating-App mit weltweit rund 57 Millionen Nutzern in 190 Ländern. Die Benutzung der App, die jeder User durchschnittlich viermal pro Tag aufruft, ist einfach: Bei der Suche nach potentiellen Partnern scrollt der Tinder-User durch verschiedene Profile und wischt dabei entweder nach rechts (gut) oder nach links (schlecht). Wenn ein Profil mit gut bewertet wurde und der Partner das Profil des Suchenden seinerseits ebenfalls mochte, gibt es einen „Match“ und die beiden können miteinander chatten. Das Kernalter der Tinder-User bewegt sich von 18 bis 25 Jahren.
Twitch ist ein Social-Media-Kanal, der sich in erster Linie auf die Gaming-Szene spezialisiert hat. Gamer können auf der Plattform Livestreams von Spielen folgen und selbst Clips hochladen. Pro Tag nutzen rund 15 Millionen User Twitch, davon sind über 80 Prozent männlich. Die durchschnittliche Altersstufe bewegt sich von 18 bis 34 Jahren. Twitch-User verbringen im Schnitt 95 Minuten täglich auf der Plattform.
TikTok ist ebenfalls eine Video-Plattform und schlägt mit weltweit 500 Millionen Usern Twitch, Tinder und sogar große Konkurrenten wie Twitter an Beliebtheit. Im App Store war TikTok 2019 eine der am meisten heruntergeladenen Apps mit über 33 Millionen Downloads allein im ersten Quartal. Die Plattform lebt von kurzen, meist 15 Sekunden langen Clips, die die User mit Musik und verschiedenen Filtern anpassen können. Besondere Aktionen, wie etwa die Hashtag-Challenges, machen TikTok zu einem sehr aktiven und lebendigen Social-Media-Kanal. Die User sind vor allem Teenager und junge Erwachsene. Älter als 25 sind TikTok-Nutzer eher selten.
Fazit: Otto holt mit Tinder, Twitch und TikTok die junge Zielgruppe ab
Mit originellen Digital-Kampagnen versucht Otto aus dem „verstaubten“ Versandkatalog-Image auszubrechen und eine jüngere Zielgruppe anzusprechen. Nach dem Motto „Sei da, wo die Kunden sind“ platziert sich das Traditionshaus auf den bei jungen Leuten beliebten Kanälen Tinder, Twitch und TikTok mit auffälligen Werbeformaten und einer Figur mit Wiedererkennungswert. Falls Ihr Euch Ottos Vorgehen zum Vorbild nehmen wollt, solltet Ihr vorher genau überlegen, ob Eure Kunden wirklich auf diesen Kanälen unterwegs sind. Denn eine gute Kenntnis der Bedürfnisse und Orte Eurer Zielgruppe ist der Kern jeder erfolgreichen Marketing-Strategie. Ob Ricky Anchorman bei den jungen Kunden ankommt? Es bleibt auf jeden Fall spannend.