Update: Ursprünglich sollte Achill Prakash auf der Konferenz der CMCX 2020 auftreten. Die CMCX konnte wegen des Coronavirus nicht wie geplant im März stattfindet – stattdessen gibt es jetzt die neue virtuelle Konferenzreihe CMCX@Home mit den Speaker*innen der CMCX, bei der auch Achill Prakash sein Know-how teilt und Euch weitere Insights in den Case gibt (am 09.April).

Die Swisscom ist eine der bekanntesten, beliebtesten und wertvollsten Marken der Schweiz. Durch die wirklich einzigartige Marketing-Kampagne #myprivatepicasso erlangte das Unternehmen im letzten Jahr Aufmerksamkeit weiter über die Landesgrenzen hinaus. Das scheint kein Zufall zu sein.

Denn dass die Schweizer*innen im Content-Marketing spitze sind, konnte Thomas Schwetje (CMO, Coop) bereits in seinen Ausführungen belegen. René Kühn nutzte jetzt die Gelegenheit, den ehemaligen Swisscom-Marketingchef Achill Prakash, unter dessen Zepter die Kampagne entstanden ist, im Vorfeld seines Speakingslots auf der CMCX 2020 zum Status quo und den kommenden Herausforderungen zu befragen.

René Kühn: Grüezi, lieber Achill, wer hat das Content-Marketing erfunden?      

Achill Prakash: Das war wohl die katholische Kirche vor 2020 Jahren. Perfektes Storytelling, klare Identität an allen Touchpoints sowie ein Publikum, das Inhalte teilt und weitererzählt.

René Kühn: Hast Du eine Erklärung dafür, dass die Schweizer Marketer so stark auf Content-Marketing setzen und stetig herausragende Cases entwickeln.

Achill Prakash: Woher hast du das denn? 😉 Überall auf der Welt wird jeden Tag tolles Content Marketing gemacht, von ganz großen und von ganz kleinen Unternehmen. Du hast aber natürlich recht, ein paar tolle Cases gibt’s aus der Schweiz schon. Der Schweizer ist aber von Natur aus diskret und bescheiden, was dem Weltruhm nicht gerade förderlich ist. Da können wir noch dazulernen.

„Ein Case wie #myprivatepicasso ist in traditionellen Strukturen nicht möglich. Die Umstellung war anstrengend und schmerzhaft, wir haben uns jeden Tag geärgert, diesen Weg eingeschlagen zu haben.“

René Kühn: Wie ist die Swisscom im Marketing strukturiert? Arbeitet Ihr noch in klassischen Teams oder wie entwickelt und organisiert Ihr die Inhalte und bespielt die Kanäle? In welcher Unit treffen wir die Content Marketer bei Euch?     

Achill Prakash: Ein Case wie #myprivatepicasso ist in traditionellen Strukturen nicht möglich. In meiner Zeit bei Swisscom haben wir sämtliche formellen Strukturen und Hierarchien aufgelöst und uns nach agilen Prinzipien aufgestellt. Die Umstellung war anstrengend und schmerzhaft, wir haben uns jeden Tag geärgert, diesen Weg eingeschlagen zu haben. Doch die Arbeit hat sich gelohnt. Das Marketing der Swisscom ist heute schneller, wendiger und kreativer. Wir konnten nun einen Großteil der Kampagne, von der Idee bis zur Produktion, intern machen. Darauf waren wir sehr stolz.

René Kühn: Ist Content-Marketing überhaupt noch der richtige Begriff für das, was Ihr alles umsetzt?    

Achill Prakash: Gute Frage. Wahrscheinlich schon. Doch wer hat heute schon den Überblick über all die Buzzwords? Ich auf jeden Fall nicht. Die Begriffe sind an sich ja auch nicht wichtig. Ich geh ja nicht zu meinen Leuten und sage: „Lass uns mal ne gute Content Marketing Kampagne machen.“ Die Form folgt immer dem Ziel und der Idee. Nie umgekehrt.

„Was wir mit Pablo Picasso in diesem Fall wohl gemeinsam haben, ist, dass wir die Idee auch sehr schnell hatten und dann einfach losgelegt haben.“

René Kühn: Bei Eurer Kampagne #myprivatepicasso konnten Eure Kunden im Rahmen eines Wettbewerbs einen echten Picasso leihweise für einen Tag gewinnen. Eine sensationelle Idee, die Ihr in Kooperation mit dem Museum Fondation Beyeler umgesetzt habt und die wir auf Content-Marketing.com zu einer der besten Kampagnen des letzten Jahres gekürt haben. Hat Picasso länger für das Malen der Taube oder Ihr für das Aufsetzen der Kampagne gebraucht?       

Achill Prakash: Claude Picasso, Pablo Picassos Sohn, hat mir erzählt, wie sein Vater jeden Tag in sein Atelier gekommen und einfach losgelegt hat. Er hat nie überlegt, ob er heute ein Portrait oder einen Würfel malen soll. Er hat einfach den Pinsel genommen und losgelegt. Ohne Zögern. Absolut offen für das Resultat. Was wir mit Pablo Picasso in diesem Fall wohl gemeinsam haben, ist, dass wir die Idee auch sehr schnell hatten und dann einfach losgelegt haben. So wie der Meister selbst in seinem Atelier. Wir haben bis zum Schluss nie gewusst, ob etwas wirklich Gutes dabei rauskommt. Doch hätten wir gewusst, wieviel Schmerz und schlaflose Nächte da auf uns zukommen, wir hätten uns wohl für eine andere Idee entschieden (die war auch gut, aber eben nur gut). Wir wurden für unseren Schmerz aber reichlich belohnt.

Landing-Page der Kampagne #myprivatepicasso

René Kühn: Zahlreiche Marketer, mit denen ich über diesen Case gesprochen haben, waren genauso begeistert von der Story wie ich. Aber mal Butter bei die Fische, ist dadurch ein Vertrag mehr abgeschlossen worden? An welcher Kennzahl misst Du primär einen erfolgreichen Budget- und Ressourceninvest bei solchen Kampagnen? 

Achill Prakash: Lebt gutes Content Marketing nicht von der Dynamik, die sich live entwickelt? Ist es dann nicht falsch, dogmatisch an vordefinierten KPIs festzuhalten nur, um dann enttäuscht zu sein? Uns ging es darum, von einem langweiligen IT-Thema zu erzählen, nämlich der digitalen Sicherheit im vernetzten Raum, powered by Swisscom. Darum haben wir den 80-jährigen originalen Rahmen des Werks mit IoT-Technologie ausgestattet. So war der echte Picasso auf seiner Reise immer durch das hacker-sichere Swisscom-Netz geschützt. Implizit konnten wir diese Botschaft vermitteln, das zeigten auch unsere Analysen. In einem komplexen Media-System haben wir die Kampagne mit unterschiedlichen Botschaften ausstatten können. Und ja, ein paar potentielle B2B-Kunden haben angerufen. Sogar ein Museum aus den Niederlanden, das vernetzte Rahmen bei uns bestellen wollte.

„CMO braucht heute viele Superpowers, die lernt man nicht in der täglichen Routine des eigenen Jobs“

René Kühn: Neue Technologien, sich immer wieder ändernde Kommunikationskanäle – das Marketing und damit auch die Position des CMOs wird komplexer. Mit starken Veränderungen und neuen Herausforderungen kennst Du Dich ja bestens aus. Schließlich hast Du schon ein Taschenlabel und ein Tech-Startup gegründet, als Gastronom und internationaler Stratege gearbeitet. Helfen Dir Deine Allrounder-Fähigkeiten dabei, das sich ständig ändernde Marketing zu orchestrieren?

Achill Prakash: Ganz sicher. Und ich möchte auch allen empfehlen, mal vom geraden Weg abzuweichen. Als Gastronom habe ich gelernt, die wahren Bedürfnisse der Menschen zu verstehen und leistungsstarke agile Teams zusammenzustellen. Als Gründer habe ich gelernt, mit dem Unvorhergesehenen umzugehen und mich jeden Tag neu zu erfinden. Ein CMO braucht heute viele Superpowers, die lernt man nicht in der täglichen Routine des eigenen Jobs.

René Kühn: Inwieweit hat Dich im letzten Jahr das komplexe Thema 5G beschäftigt? Hier müsste die Swisscom doch eine Menge an neuen Produkten entwickeln und Potentiale erschließen, die es zu vermarkten gilt? Die Schweiz wird oft als 5G-Vorreiter genannt.

Achill Prakash: Oja, 5G war ein wichtiges Thema letztes Jahr, das wir übrigens auch mit starkem Content in ausgeklügelten Media-Systemen erzählt haben. In den letzten 6 Jahren hat sich der Datenkonsum der Menschen verneunfacht. Neue Plattformen werden durch 5G erst entstehen können. Welche, weiß man heute aber noch nicht genau. Dienste wie Spotify oder Netflix auf unseren Handys sind damals erst durch 4G möglich geworden. Das gibt viel Futter für starkes Content-Marketing.

René Kühn: In Kürze werden die ersten 5G-Lizenzen auf dem Mars vergeben. Die Swisscom erhält den exklusiven Zuschlag und Du darfst/musst durch Influencer Marketing den „Launch“ kommunizieren. Welche drei Influencer nimmst Du bei dieser Reise in eine andere Welt mit und wie lautet der Name der ersten Launchkampagne?  

Achill Prakash: Elon Musk, Flash Gordon und Angela Merkel. Elon weiß, was man mit 5G machen kann, Flash Gordon kennt sich da oben aus und Angela Merkel sorgt dafür, dass die zwei Lausbuben nix Dummes anstellen. Das ganze heißt „Two boys and a grown up.“

René Kühn: Lieber Achill, herzlichen Dank! Ich freue mich auf Deinen Vortrag auf der CMCX und natürlich werden wir weiter Deine originellen Marketingaktionen verfolgen 😉.

Jetzt die Session von Achill Prakash auf CMCfliX streamen

Achill Prakash präsentierte den Case auf der CMCX@Home – inklusive ausgiebiger Q&A-Session mit dem Publikum. Die Aufzeichnung davon seht Ihr jetzt auf der neuen Videoplattform für Marketing: CMCfliX.

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