„Stellt Ikea mit diesem Nonsens-Produkt einen neuen Instagram-Rekord auf?“ titelte horizont.net im Januar 2020 über IKEAs Produkthybrid „MÜPOLASH“. Einige Monate später fällt die Antwort eindeutig aus: Nein, nicht einmal ansatzweise.

Dabei hörte sich ursprünglich alles nach dem nächsten Marketing-Coup von IKEA an: Data Driven Marketing trifft auf Kreativität und Humor. Und das Ganze findet auch noch auf Instagram statt! Klar, dass die großen Medienmagazine und Portale wie focus.de sofort darüber berichteten. Doch bei der eigentlichen Zielgruppe kam die Kampagne nie wirklich an.

Die Frage ist: Handelt es sich dabei lediglich um einen von vielen PR-Stunts oder können wir Content-Marketer auch etwas von diesem Case mitnehmen? (Spoiler: Es zeigt u. a., dass Content-Marketing ein Prozess und keine singuläre Kampagne ist.)

Eigentlich ist IKEA doch ein Vorbild für modernes Marketing?

IKEA macht aus Marketingsicht sehr, sehr viel richtig – sei es online oder offline (Lesetipp: Was Content Marketer von IKEAs genial umgesetzter Offline-Customer-Experience lernen sollten). Kaum ein Unternehmen beherrscht die Klaviatur der modernen Kommunikation so gut wie das schwedische Möbelhaus, und das seit vielen Jahren. Neben der überzeugenden Marketing-Strategie fällt IKEA immer wieder mit spektakulären Aktionen auf. Das sollte auch MÜPOLASH werden: Ein fiktiver Produkthybrid, der mittels AR-Filter als Deko-Gegenstand in die eigene Wohnung geschummelt und im Anschluss auf Instagram geteilt werden kann. Das Ziel des Ganzen? Reichweite!

Dennoch wurde die Kampagne nicht erfolgreich. Bis zum Juni 2020 gab es lediglich 109 Beiträge mit dem Hashtag #müpolash (da sind wir für Instagram-Verhältnisse eher im Bereich der Mikrobiologie). Davon sind ein Großteil Beiträge über die Kampagne selbst und nicht, wie gewünscht, user generated content.

IKEA und die MÜPOLASH-Kampagne: So sollte es eigentlich laufen

Die Grundlage für die fiktive Produktkreation bildete Instagram: Durch Auswertung der Kundendaten fand IKEA heraus, dass seine Follower am häufigsten Fotos von Tassen (Mugs), Blumentöpfen (Pots), Lampen (Lamps) und Regalen (Shelf) teilen. Also kombinierte der Möbelriese einfach diese vier Produkte und machte daraus ein einziges skurriles Gebilde: den MÜPOLASH. Auch die gewählte Farbe des Produkts kommt dabei nicht von ungefähr, denn Weiß ist laut Datenanalyse die beliebteste Farbe auf Instagram.

Vom MÜPOLASH gibt es insgesamt nur fünf Stück. Eines steht im Design Museum in Gent, die restlichen vier Stück wurden auf Instagram verlost. Mit Hilfe eines eigens für die Kampagne entwickelten AR-Filters sollten Instagram-Nutzer das Produkt irgendwo als Deko-Gegenstand in die Wohnung oder an einem anderen Ort integrieren und das Foto oder Video auf der Plattform teilen. Natürlich nicht, ohne @Ikeabelgium zu markieren.

Kampagnenziel – mit Augmented Reality zur viralen Reichweite

Hinter der Kampagne steckte die belgische Full-Service-Agentur Ogilvy Social Lab mit Sitz in Brüssel. Das erklärte Ziel der Aktion lautete, die globale Aufmerksamkeit auf den schwedischen Möbelgiganten zu lenken. Warum dafür ausgerechnet Instagram als Plattform ausgewählt wurde, liegt auf der Hand: Mit seinen Produkten deckt IKEA insta-freundliche Themen wie Lifestyle, Living und Design ab – und punktet in erster Linie auf visueller Ebene. Außerdem zeigte sich IKEA mit der Kampagne einmal mehr modern und innovativ. Mit der Einbindung von Augmented Reality nutzt das Unternehmen ein Feature, dass sich nicht zuletzt durch den technischen Fortschritt in letzter Zeit immer mehr zum Marketing-Trend entwickelt.

Kleiner Exkurs: Consumer Data im Marketing – die (erfolgreichen) Kampagnen anderer Unternehmen

Nicht nur IKEA nutzt Kundendaten für Produktkreationen und Marketing-Kampagnen – auch andere Unternehmen sind bereits auf diesen Zug aufgesprungen:

  • OKCupid: Das Online-Dating-Portal bindet Nutzer-Daten in die eigene Content-Produktion ein. So ergab eine interne Datenanalyse, dass Personen älter aussehen, wenn das Foto mit Blitz aufgenommen wurde. Als OKCupid diese Erkenntnis in einem Post teilte, schlug das nicht nur bei der eigenen Zielgruppe ein, sondern begeisterte die Social Media Community generell.
Quelle: https://theblog.okcupid.com/dont-be-ugly-by-accident-b378f261dea4
  • Spotify: Ein persönlicher Jahresrückblick, basierend auf ausgewerteten User-Daten (z. B. Hördauer, Genres, Lieblingslieder etc.), der außerdem mittels Shareable Post auf Social-Media-Kanälen geteilt werden kann – mit diesem Konzept landete der Streaming-Dienst in seiner #wrapped-Kampagne einen vollen Erfolg.
Quelle: https://newsroom.spotify.com/2019-12-05/spotify-wrapped-2019-reveals-your-streaming-trends-from-2010-to-now/
  • Activia (Joghurtdrink): Auf Emotion und Authentizität setzt die „It Starts Inside”-Kampagne von Activia. Laut Umfragen sind 80 % der Frauen in den USA zwischen 25 und 55 sehr selbstkritisch. Mit diesem Ergebnis als Grundlage zeigte das Unternehmen in der Kampagne Interviews mit Frauen, die über ihre Erfahrungen mit Selbstzweifeln sprechen – und traf damit in der Zielgruppe voll ins Schwarze.

Das können wir für unser Content-Marketing von MÜPOLASH lernen

IKEA versuchte, wie zahlreiche andere Unternehmen auch, durch die Auswertung von Nutzerdaten und darauf aufbauenden, gezielten Kampagnen virale Aufmerksamkeit zu erzeugen. Das hat dieses Mal nicht so gut geklappt. Der Case sollte aber niemanden entmutigen, im Gegenteil! Er zeigt eher, dass wir mit Content-Marketing aktuell auf dem richtigen Weg sind, und zwar aus mehreren Blickwinkeln:

  • Data Driven Marketing kann kreativ sein: Die Auswertung von Daten wird aus Marketersicht oftmals als recht trocken und aus Nutzersicht häufig als heikles bis negatives Thema betrachtet. IKEA zeigt, wie man das Thema humorvoll umsetzt und transportiert. Sicherlich ein Vorbild für das weitere Vorgehen in diesem Feld.
  • Die als ironisch angelegte Kampagne belegt durch den Misserfolg unabsichtlich und ironischerweise aufs Neue, dass man den Daten nicht blind vertrauen sollte. Daten können noch nicht alleine „arbeiten“. Die Analyse der Zielgruppe ist komplexer, als ein Best-of der Daten zusammenzuschustern. Es braucht (zumindest aktuell) noch die menschliche Interpretation und Führung. Der Berufsstand des Content-Marketer ist also erstmal nicht bedroht. 😉
  • Modernes Marketing ist ein Prozess, keine singuläre Kampagne: Frei nach Lothar Matthäus wird IKEA nicht den Sand in den Kopf stecken, sondern seine Lehren daraus ziehen und die nächste Data-Driven-Marketing-Kampagne starten. Darum geht es im Content-Marketing: Die Kunden nicht mit einer plumpen Marketingbotschaft anbrüllen, sondern die Bedürfnisse der Menschen genau verstehen. Das macht das Marketing deutlich anspruchsvoller, da es „den“ Kunden ja nicht gibt, sondern im Fall von IKEA Millionen individuelle Personen. Diese Bedürfnisse können nicht mit einer einzelnen Kampagne abgedeckt werden, sondern müssen über eine langfristige Strategie fortlaufend analysiert und bedient werden. Solche Cases wie MÜPOLASH helfen IKEA dabei, die richtigen Schlüsse für das weiter Vorgehen zu ziehen und so das Marketing nachhaltig deutlich zu verbessern.
  • Und: Ist es nicht für die eigene Content-Marketing-Seele beruhigend, dass selbst IKEA nicht immer alles zum Erfolg bringt? 😉

Quellen:
www.horizont.net/marketing/auftritte-des-tages/muepolash-stellt-ikea-mit-diesem-nonsens-produkt-einen-neuen-instagram-rekord-auf-180219
triggerbee.com/blog/data-driven-marketing-examples
theblog.okcupid.com/dont-be-ugly-by-accident-b378f261dea4
newsroom.spotify.com/2019-12-05/spotify-wrapped-2019-reveals-your-streaming-trends-from-2010-to-now/

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