Arztbewertungsportale Teil II: Online-Pranger oder Informationsangebot?

    Von Mirko Strauchmann

    Mehr Lob als Kritik

    Die Auswertung der Weißen Liste – ich hatte im letzten Teil darüber berichtet – hat ergeben, dass die Mehrheit der Patienten ihren Arzt weiterempfehlen würde. Allein schon mit diesem Ergebnis ist der pauschale Aufschrei der Ärztevertreter gegen die Wand gefahren. Ärztekammer-Präsident Montgomery sah eine „Plattform für Denunzianten“ die Ärzteschaft niederwalzen, Hartmannbund-Vorsitzender Winn sprach den Patienten die Kompetenz zur Bewertung der medizinischen Leistung ab.

    Bereits eine erste Teilauswertung der Weißen Liste zeigte die positive Tendenz in den Bewertungen. Besonders interessant ist die Userdiskussion dazu auf DocCheck. Da gibt es Ärzte, die sich zufrieden zeigen mit ihren Bewertungen, sogar dankbar für Feedback sind. Da gibt es Ärzte, die den Inhalt der Meldung übergehen und ihrer Meinung Luft machen, es sind eh nur die Unzufriedenen, die bewerten. Es wird auch der Verdacht geäußert, positive Bewertungen seien Fakes, von den Ärzten selbst oder befreundeten Kollegen verfasst. Es wird aber auch die sich vergrößernde Akzeptanz und Partizipation alle Bewertungsportale betreffend thematisiert.

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    Es sind bei weitem nicht nur die Unzufriedenen

    Kurzum: Wäre es so, wie die Kritiker der Angebote unterstellen, müssten sich Negativkommentare zuhauf und ganz wenig Lob finden. Ist aber nicht so. Gut, ein bisschen Fake, ein bisschen Rache, das ist auch dabei. Das geben auch die Betreiber zu. Die natürlich so viele davon wie möglich entlarven wollen. Schließlich ist Glaubwürdigkeit ihr Kapital. Diese Gefahr hat die Weiße Liste durch Registrierung mit Versichertennummer gut gebannt.

    Ein viel größeres Problem ist aber, dass es bei zu vielen Ärzten nur sehr wenige Bewertungen gibt. Somit ist die Aussagekraft begrenzt und nicht repräsentativ. An diesem Punkt ist der Patienten gefordert, der sich auf einem Portal informiert. Um welche Art Bewertung handelt es sich? Eine Art Checkliste zum Abhaken? Wie viele Kriterien werden untersucht? Gibt es Freitext?

    Dem ersten Problem geht die Weiße Liste dadurch aus dem Weg, dass die Bewertungen zu einem Arzt erst bei einer ausreichenden Anzahl (10) freigeschaltet werden – mit dem Folgeproblem, dass bei vielen Ärzten keine Bewertungen sichtbar sind. „Checklisten“ sind per se nicht schlecht – wenn sie gut zusammengestellt sind. Etwas, das für viele Patienten wichtig ist, sind die Freitext-Berichte. So wird an der Weißen Liste z.B. deren Fehlen kritisiert, da es so manch einem an Aussagekraft mangelt.  Denn nur so könne auf Aspekte eingegangen werden, die von einer Checkliste nicht erfasst werden.

    Bewertungsportale: Chance, nicht Gefahr

    Etwas, was seitens der Ärzte äußerst selten zu hören ist: Der Gedanke, dass man sich Bewertungsplattformen zunutze machen kann. Dass man von einer guten Reputation dort profitieren kann. Denn Sternchenbewertungen sind häufig bereits auf der Google-SERP eingebunden. Positive Patientenbewertungen können auch auf der eigenen Website von der Reputation künden. So erhalten Suchende gleich einen – hoffentlich guten – ersten Eindruck.

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    Ärzte, die sich Zeit nehmen und gut organisiert sind, punkten

    Es besteht die Gefahr, dass eine große Zahl von Patienten diese Portale nicht kennt oder nicht nutzt. Patienten, die zufrieden sind. Die als Multiplikator im Sinne des Arztes fungieren, wenn sie denn eine Bewertung abgäben. Hier gilt es zu informieren. Das hilft dabei, überhaupt erst Bewertungen zu sammeln. Die Sichtbarkeit wird verbessert. Das hilft auch, einzelne „Ausreißer“ nach unten zu entschärfen. Die Durchschnittsbewertung wird verbessert.

    Außerdem ist es jedem Arzt zu empfehlen, Bewertungsportale im Auge zu behalten. Ob er das nun selbst tut, oder jemanden mit dem Monitoring beauftragt, ist an dieser Stelle nebensächlich. Aber wenn ein kritischer Kommentar veröffentlicht wird, weiß er so zeitnah Bescheid. Und kann reagieren. Eine Gegendarstellung einstellen oder, in extremen Fällen, die Löschung veranlassen.

    Gute Bewertungen kommen nicht aus dem Nichts

    Wenn Ärzte sich um Bewertungen ihrer Patienten bemühen, sollten sie sich aber auch im Klaren darüber sein, dass sie sich entsprechend verhalten sollten. Klassische Bewertungskriterien für Ärzte sind außer der medizinischen Leistung die Praxisorganisation. Wie oft ist es wohl schon vorgekommen, dass ein Patient sich fragt, warum sein Arzt Termine vergibt, wenn er sie nicht einhält. Nur als ein Beispiel.

    Auch das Praxispersonal wird bewertet. Unfreundliche, wenig kompetente Mitarbeiterinnen ziehen die Note natürlich nach unten. Es kommt auch auf den Arzt selbst an. Abseits der reinen Behandlung. Wie tritt er gegenüber seinen Patienten auf? Wie kommuniziert er? Ein distanzierter (böse Zungen würden sagen: herablassender) Arzt, der einfach nur behandelt, ohne zu erklären. Der nicht zuhört. Ein Arzt, der den Eindruck erweckt, er fertige Patienten nur schnellstmöglich ab. Beide werden weniger gute Bewertungen erhalten als ein freundlicher Arzt, der sich ausreichend Zeit für eine Diagnose nimmt, mit dem Patienten auf Augenhöhe kommuniziert.

    Lesen Sie hier von Mirko Strauchmann: Kann man seine Reputation versichern?

    Bildnachweis (in der Reihenfolge ihres Erscheinens):
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