REWE betreibt in beeindruckender Weise Content-Marketing auf allen Ebenen und auf den unterschiedlichsten Kanälen – online und offline. Wie orchestriert man diesen riesigen Komplex strategisch, welche Partner sind dafür nötig und warum sind Themen viel wichtiger als die nächste coole Kampagne?

René Kühn traf sich mit REWE-Marketingchef Dr. Johannes Steegmann. Im Vorfeld seines Speakingslots auf der CMCX unterhielten sich die beiden „quasi Nachbarn“, um sich über aktuelle Entwicklungen in der Kommunikation und natürlich die Content-Marketing-Aktivitäten bei REWE auszutauschen.

René Kühn: Hallo lieber Johannes, wir sind hier gerade in Köln-Junkersdorf und Luftlinie geschätzte 669 Meter vom Stadion des 1. FC Köln entfernt. Die wichtigste Frage vorab: Wo landet der EffZeh am Ende der Saison?    

Johannes Steegmann: Als FC Köln Fan, Marketing-Chef des Trikotsponsors und optimistischer Rheinländer bin ich da wohl nicht ganz objektiv. Aber die starken Ergebnisse am Ende der Rückrunde, die vielen jungen, sehr motiviert auftretenden Spieler und der Sieg gegen Wolfsburg zum Start der Rückrunde stimmen mich da schon sehr positiv.

René Kühn: Du bist CMO der REWE Group und Geschäftsführer bei REWE digital. Wie sieht ein klassischer Mittwoch bei Dir aus? Musst Du Dich je nach Meeting/Thema „teilen“ oder greifen die alten und neuen Kanäle bei „REWE“ mittlerweile ineinander?

Johannes Steegmann: Mittwochs haben wir immer Geschäftsführungssitzung bei REWE digital. Von daher stehen an dem Tag ausnahmsweise schon E-Commerce und Digitalthemen im Vordergrund. Ansonsten ist die Zusammenlegung unseres klassischen und digitalen Marketings allerdings seit Anfang 2018 komplett vollzogen. Wir planen sämtliche Kampagnen in einem Omni-Channel-Ansatz und haben unsere Teams integriert – von den Zielen und auch organisatorisch.

„Wir planen sämtliche Kampagnen in einem Omni-Channel-Ansatz.“

René Kühn: Als wir 2011 mit der CMC(X) mit dem damaligen Buzzword „Content-Marketing“ Deutschland überraschten, hieß es „Unternehmen werden zu Verlagen“. Wie schätzt Du das heute ein? Wie viel Publisher-DNA steckt in Euch?

Johannes Steegmann: Wir haben hier seit 2014 bei der REWE schon sehr viel Inhouse-Expertise aufgebaut: Eigene Ökotrophologen, Redakteure, Fotografen, Video Producer, Copywriter, Creative Concepter, Art Directors, UX/UI-ler, eine eigene Social-Media-Kreation – und eine eigene Show-Küche für Foto- und Video-Produktionen. Das ermöglicht uns, effizient und sehr flexibel im Jahr Fotos/Videos für über 1.000 Rezepte zu produzieren, selber Influencer-Events durchzuführen, unsere Social-Media-Kampagnen eigenständig durchzuführen, unser Food-Magazin „Deine Küche“ mit einer Auflage von > 2,5 Mio. Heften selber herauszubringen und so weiter.

https://www.rewe.de/rezepte

„Aus meiner Sicht ermöglicht uns die interne Content-Kompetenz überhaupt erst eine viel integriertere redaktionelle Zusammenarbeit mit den Verlagen.“

Das heißt aber nicht, dass wir nicht mehr mit den großen Verlagen arbeiten. Ganz im Gegenteil! Aus meiner Sicht ermöglicht uns die interne Content-Kompetenz überhaupt erst eine viel integriertere redaktionelle Zusammenarbeit mit den Verlagen, und zwar auf Augenhöhe bei ausgesuchten journalistischen Themen. So konnten wir z. B. in 2019 mit Gruner/RTL gemeinsam das Thema Picknick deutschlandweit besetzen, haben mit Bauer einen Start-up Award für innovative Lebensmittel durchgeführt und mit Burda auf eine ganz neue Art und Weise das Thema „bewusste Ernährung“ in den Mittelpunkt unserer gesellschaftlichen Diskussion geholt. Das wäre alles nicht möglich gewesen ohne interne Kompetenz im Storytelling und der eigenen Content-Produktion.

René Kühn: Agiert Ihr proaktiv in der Vermarktung? Oder sind das die Resultate aus den Jahresgesprächen? Darf man dazu noch WKZ (Werbekostenzuschuss) sagen oder wäre das längst überholt?

Johannes Steegmann: Wir haben seit 2015 ein eigenes Team an Media-Sales-Experten aufgebaut, die sich außerhalb der WKZ-Diskussionen um Retail Media kümmern. Im letzten Jahr haben wir auf diese Art und Weise mit 100 von unseren Industriepartnern in Summe ungefähr 400 Kampagnen durchgeführt. Das startet mit der gemeinsamen Content-Kreation – so haben wir zum Beispiel mit Barilla den deutschen „Pasta Master“ gesucht und das Finale in unserer Rewe Show-Küche produziert. Dann spielen wir den Content auf unserem REWE-Inventar aus, im Kundenmagazin, auf der Website, auf unseren Social-Media-Kanälen, aber auch über Retargeting auf Basis unserer Kundendaten auf externen Flächen. Das interessante für unsere Partner ist dann aber natürlich, dass wir ihnen am Ende im Rahmen der Kampagnenerfolgsmessung auch Abverkaufszahlen, Uplifts, Käuferprofile/-wanderungen und einen Marketing ROI liefern können.

René Kühn: In keiner anderen Branche werden die Marketingkampagnen so stark in den Fachmedien verglichen, zerrissen und gefeiert wie bei den Supermärkten. Bei der Wertung um die supercoolste Kampagne spielt REWE allerdings meistens nicht mit. Mit „bewusster“ Absicht?

Johannes Steegmann: Du spielst da sicher auf den HORIZONT-Artikel an, der uns im Januar dafür gelobt hat, dass die REWE sich für das gesellschaftlich hochrelevante Thema „bewusste Ernährung“ stark macht, während alle anderen Lebensmitteleinzelhändler kommunikativ mit einer Preis-Streich-Arie ins neue Jahr starten und einer unserer Mitbewerber sich sogar über die guten Vorsätze der Deutschen lustig macht.

„Tatsächlich schauen wir bei unserer Themenplanung nicht auf den Wettbewerb, sondern auf unsere Kunden-Insights und fokussieren uns komplett auf die aus unserer Sicht bedeutungsvollen Themen.“

Tatsächlich schauen wir bei unserer Themenplanung nicht auf den Wettbewerb, sondern auf unsere Kunden-Insights und fokussieren uns komplett auf die aus unserer Sicht bedeutungsvollen Themen. Und wenn wir dann z. B. auch im Dezember 2019 aus dem kommunikativen Weihnachts-Einerlei ausgeschert sind und uns stattdessen dafür stark gemacht haben, über 55.000 deutsche Sportvereine mit ihren vielen Millionen Mitgliedern glücklich zu machen, dann finde ich das gut.

Die Website der Aktion „Scheine für Vereine“:

https://scheinefuervereine.rewe.de/

René Kühn: Durch Eure zahlreichen Mitmach-Aktionen wie z. B. „Scheine für Vereine“ und den Kunden in den Märkten wird Euer Newsletter eine gewaltige Reichweite generieren. Welche Trafficquellen sind für Euch für den Owned Media Content am relevantesten? Also für wen schreibt Ihr die Inhalte?  

Johannes Steegmann: In unseren Auswertungen haben die Newsletter tatsächlich einen hohen Impact auf den Umsatz, aber auch die positive Entwicklung unserer Markenwerte. Die Conversion Rates der Newsletter steigen, je mehr wir den Content auf die Interessen der Kunden maßschneidern. Daher haben wir zum Beispiel unseren Rezept-Newsletter auf Basis des Click-Verhaltens personalisiert und für einige Kunden sogar einen täglichen Newsletter mit dem Rezept des Tages eingeführt. Im Angebotsbereich personalisieren wir auf Basis des individuellen Kaufverhaltens, was für den Kunden die Relevanz natürlich auch deutlich erhöht.

Neben dem Newsletter ist SEO ein für uns immer wichtigerer Kanal, der auch die Kraft von gutem Content verdeutlicht. Während Kunden Google vor einigen Jahren noch vor allem nach REWE Öffnungszeiten und Angebote gefragt haben, sind nun Rezepte und Ernährungstipps als sehr starke Traffic Quellen hinzugekommen. Hier sieht man dann z. B. beim Key Word „Rezepte“, dass wir wegen unseres qualitativ sehr hochwertigen Contents unter https://www.rewe.de/rezepte/ trotz unserer „nur“ 5.200 Rezepte große Verlage und Rezeptportale mit vielen 100 Tausend Rezepten im Ranking schlagen.

„Die Conversion Rates der Newsletter steigen, je mehr wir den Content auf die Interessen der Kunden maßschneidern. Daher haben wir zum Beispiel unseren Rezept-Newsletter auf Basis des Click-Verhaltens personalisiert.“

René Kühn: Mit commercetools habt Ihr vor einigen Jahren mit REWE digital erstmalig für ca. 7 Mio. Euro ein reines Tech-Produkt gekauft. Das Unternehmen verzeichnete nach einer externen Finanzierungsrunde Ende 2019 eine Bewertung von 300 Millionen Euro. Auch andere Unternehmen, insbesondere aus dem Handel, erschließen immer weitere digitale Geschäftsfelder aus ihrem gesammelten Know-how und der Reichweite bzw. den Daten. Gibt es strategische Überlegungen weitere Dienstleistungen mit Eurem Know-how auszubauen? Verkauft Ihr bald Content-Marketing-Leistungen to go?  


Johannes Steegmann: Mit der Entwicklung von commercetools sind wir super happy. Ich weiß noch, wie wir 2014 intern aber auch im Markt angeschaut wurden, als REWE digital auf einmal ein Tech-Unternehmen gekauft hat. Rückblickend war das nicht nur finanziell ein toller Erfolg, sondern auch wegen der Impulse von commercetools auf unser komplettes Digitalgeschäft. Da hat das Team um Dirk Hörig schon einen Riesenjob gemacht – intern bei den Unternehmen der REWE, wie extern bei den commercetools Kunden im In- und Ausland.

https://commercetools.com

„Die Conversion Rates der Newsletter steigen, je mehr wir den Content auf die Interessen der Kunden maßschneidern. Daher haben wir zum Beispiel unseren Rezept-Newsletter auf Basis des Click-Verhaltens personalisiert.“

Ob wir bald auch Content-Marketing-Lösungen extern verkaufen? Tatsächlich entwickeln wir ja schon heute entgeltlich für unsere Industriepartner Content und komplette Kampagnen. Zudem findet man unsere REWE-Rezepte auf vielen externen Websites – wegen des ungeliebten duplicate content allerdings vor allem hinter Log-ins und in Apps. Es gab auch immer mal wieder Anfragen, ob wir für externe Firmen komplette Websites bauen können. Das haben wir aber klar abgesagt, da es für unsere Teams aktuell noch viel zu viel bei der REWE zu tun gibt.

René Kühn: Lieber Johannes, herzlichen Dank für das Interview! Und bis spätestens im März in München.

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