Wer Content Marketing mit geringen Ressourcen betreiben muss, sollte pragmatisch an die Sache herangehen. Schlank starten und Inhalte mit dem Ohr am Markt entwickeln – das sind die Grundprinzipien im Lean Content Marketing. Was genau hinter diesem Ansatz steckt, erklären Sascha Tobias von Hirschfeld und Tanja Josche, Autoren des Buches „Lean Content Marketing. Groß denken, schlank starten“ in diesem Gastbeitrag.
Mehr Mut im Marketing
Viele Unternehmen streben nach dem „perfekten“ Content: nach Inhalten, die das Publikum liebt, die schnell veröffentlicht sind und dazu noch wenig kosten. Doch Marketing-Experten wissen, dass dieses Ziel kaum zu erreichen ist. Denn Qualität, Kosten und Time-to-Market schließen sich bei der Content-Erstellung meist gegenseitig aus. Wer Inhalte schnell im Markt platzieren will, um den Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Kunden zu gewinnen, muss Abstriche bei der Qualität machen. Wer dagegen auf hochwertige Inhalte setzt, muss dafür Geld in die Hand nehmen.
Ein möglicher Weg aus diesem Dilemma: weniger Perfektionismus, dafür mehr Mut zum Experiment. Ausgangspunkt sind dabei Inhalte, die nicht perfekt sind, sondern gerade so gut, dass sie den Anforderungen der Zielpersonen gerecht werden und den Dialog anstoßen. Solche Inhalte können mit wenig Aufwand erstellt und schnell veröffentlicht werden. Ziel ist es, auf diese Weise möglichst schnell ein Feedback aus dem Markt zu erhalten und daraus zu lernen, um den Content dann Schritt für Schritt weiter zu optimieren.
Diese Idee des „Lean Contents“ basiert auf dem Konzept des Minimum Viable Product von Eric Ries:
Quelle: azquotes.com/quote/724740
Content als Einladung zum Dialog
Im „Lean Content Marketing“ verstehen wir Content somit nicht als fertiges Produkt, sondern als Einladung an die Zielgruppe, mit dem Unternehmen in Dialog zu treten und an der Weiterentwicklung des Contents aktiv mitzuwirken.
Mit einem kleinen Beispiel lässt sich dies am besten veranschaulichen:
Nehmen wir an, Sie sind noch unsicher, auf welche Themen Sie im Content Marketing Ihren Fokus legen sollten. Nach dem Lean-Prinzip würden Sie Ihre Ideen mit kleinen Content-Stücken testen. Mit wenig Aufwand erstellen Sie einige kurze Posts für Ihren Blog oder soziale Netzwerke und beobachten genau, wie diese beim Publikum ankommen. Wie viele Likes, Shares, Klicks bekommen Ihre Beiträge? Wie lange verweilen die Nutzer? Welche Fragen stellen sie in den Kommentaren?
So erhalten Sie wertvolle Hinweise darauf, welche Fragen Ihr Publikum wirklich bewegt. Dieses Feedback nutzen Sie dann, um Ihre Themen, aber auch die Kanäle für die Verbreitung Ihrer Inhalte und Ihre internen Prozesse weiter zu optimieren. Im nächsten Schritt können Sie dann auch größere Content-Einheiten entwickeln. Das Risiko, mit diesen Inhalten daneben zu liegen, ist dabei sehr gering. Denn Ihr Content basiert nun nicht mehr bloß auf Annahmen, sondern auf Erfahrungen.
Ein schönes Beispiel hierzu beschreibt John Doherty in seinem Artikel „How To Create Big Content With A Small Team“. Für den Blog eines Immobilienportals suchte er nach Themen, die auch das Potenzial haben, von lokalen Medien aufgegriffen zu werden. Er testete eine Idee – eine spezielle Datenauswertung zu Neubauprojekten – zunächst bei einer Redaktion. Mit dem positiven Feedback, das er erhielt konnte er das Thema weiterentwickeln, um dann mit minimiertem Risiko auch auf andere Redaktionen zuzugehen.
Content-Ideen mehrfach verwerten
Themen, die Sie als besonders relevant für Ihre Zielpersonen identifiziert haben, sollten Sie möglichst in verschiedenen Content-Formaten umsetzen. So könnten Sie dieselbe Idee zum Beispiel als Blogpost oder -serie umsetzen, ein Webinar dazu veranstalten und daraus eine Slideshare-Präsentation erstellen. Content-Ideen mehrfach zu verwerten hat zwei entscheidende Vorteile:
- Ressourcen werden effizient eingesetzt.
- Die Reichweite wird maximiert.
Grund dafür sind die unterschiedlichen Nutzungs- und Verbreitungsmöglichkeiten der verschiedenen Formate. So erreicht ein auf Youtube platziertes Video, das zusätzlich über bezahlte Medien vermarktet wird, ein ungleich größeres Publikum als beispielsweise ein Artikel, der nur im eigenen Blog veröffentlicht wird. Deshalb empfiehlt es sich, Content-Stücke nach dem Baukasten-Prinzip immer wieder neu zusammensetzen und über geeignete Distributionskanäle zu verbreiten.
Fallbeispiel: Ressourcenschonende Content-Erstellung bei der Contiago AG
Dieses Prinzip ermöglichte beispielsweise dem Startup-Unternehmen Contiago, mit geringen Ressourcen hochwertigen Longform-Content zu erstellen. Der Betreiber einer Handelsplattform für digitale Inhalte hatte sich zum Ziel gesetzt, innerhalb weniger Monate seine Bekanntheit deutlich zu steigern und neue Partner zu akquirieren. Ein schlanker Ansatz war dabei nicht nur aus Ressourcengründen, sondern auch deshalb gefragt, weil gleichzeitig zwei Zielmärkte angesprochen werden sollten: Verlage als Content-Produzenten, Unternehmen und Verbände als Content-Abnehmer.
Contiago startete mit Artikeln für den Blog, die klassisch über Social Media vermarktet wurden. Die dort behandelten Themen wurden auch als Gastbeiträge für Fachportale und visuell als Infografiken aufbereitet. Teile der Infografiken wiederum dienten zur Bebilderung der Beiträge. Aus Vertriebsgesprächen ergaben sich immer wieder neue Themen, die Contiago umgehend im Blog verarbeite. So entstand schrittweise ein Pool an Inhalten, den das Unternehmen schließlich zu je einem Whitepaper pro Zielgruppe zusammenstellte. Für Verlage setzte man den Content zudem als Webinar um und konnte so wertvolle Leads für den Vertrieb generieren.
Zuhören und bereit sein zu lernen
Im Lean Content Marketing sehen wir Content somit als Instrument, um mehr über die Zielpersonen zu erfahren und die Marketingaktivitäten immer besser am tatsächlichen Bedarf auszurichten. Damit dies gelingt, müssen zwei Voraussetzungen im Unternehmen gegeben sein: eine Kultur des Zuhörens und die Bereitschaft zu lernen. Es geht darum, dem Kunden wirklich zuzuhören und sich in ihn hineinzuversetzen. Dabei sind die heutigen Möglichkeiten zur Datenauswertung sicher hilfreich. Doch wirklich ein Gespür für den Kunden gewinnen Marketer erst, wenn sie aus ihrem Elfenbeinturm hinaus in die Arena der Kunden steigen:
“You have to be in the arena, getting dust and sweat on yourself.”
Theodore Roosevelt
Das, was man dort erfährt, muss anschließend wieder in neuen Content einfließen. So ergibt sich insgesamt ein Kreislauf – was den Ansatz des Lean Content Marketing grundlegend von der üblichen Strategie-Entwicklung unterscheidet, bei der zuerst geplant und dann gehandelt wird.
Der Zyklus des Lean Content Marketing (Quelle: lean-content-marketing.com)
Fazit:
Schnell loslegen und experimentieren widerspricht dem Perfektionismus und hohen Anspruch vieler Marketers. Doch gerade Unternehmen, die mit geringen Ressourcen auskommen müssen, könnten von etwas mehr Experimentierfreude profitieren. Entscheidend ist dabei, dass sie genau hinhören, wie die Zielgruppe die Inhalte aufnimmt und bereit sind, daraus zu lernen. So entstehen mit der Zeit auch Inhalte die mehr als nur „gut genug“ sind.
[Autoren]
Sascha Tobias von Hirschfeld ist Berater für Content Strategie und Business Storytelling, Tanja Josche freiberufliche Texterin. Beide sind seit über 15 Jahren im B2B-Marketing tätig – auf Agentur- und Unternehmensseite. Zusammen haben sie den Praxisleitfaden „LEAN CONTENT MARKETING – Groß denken. Schlank starten.“ veröffentlicht. Darin geben sie praktische Tipps für den Einstieg ins Content Marketing und zeigen, wie dieser auch mit geringen Ressourcen gelingen kann. Der Praxisleitfaden ist als Taschenbuch und als E-Book auf Amazon erhältlich. Informationen und Blog zum Buch unter www.lean-content-marketing.com