Wikipedia ist eine der wichtigsten und größten Websites. Man munkelt, dass 40 Prozent aller Platz-1-Suchergebnisse bei Google auf sie verweisen. Journalisten geben längst offen zu, dass sie für eine ersten Überblick Wikipedia nutzen. All das macht die Online-Enzyklopädie für Unternehmen enorm interessant. Die Wikipedia selber sieht das ein wenig anders.
Gelistet zu werden, hat große Vorteile. Erstens bringt ein Eintrag Prestige, zweitens kann Wikipedia sehr viel Traffic für die eigene Website liefern. Über die Wikipedia im Zusammenhang mit PR- oder Marketing-Strategien zu schreiben, ist jedoch grenzwertig. Darum ein paar warme Worte
vorweg: Würde jedes x-beliebige Unternehmen versuchen, einen Eintrag im Brockhaus zu bekommen, fänd man das sehr befremdlich. Man darf jedoch nicht vergessen, dass auch die Wikipedia eine Enzyklopädie ist. Erhellend ist außerdem die Wikipedia-Seite darüber, was die Wikipedia nicht ist. Darin findet man unter
anderem diesen Satz:
„Wikipedia ist kein allgemeines Personen-, Vereins-, Organisationen- oder Unternehmensverzeichnis.“
Manipulation funktioniert nicht
Es ist daher gut und richtig, dass die Community gerade im Hinblick auf werbliche Inhalte kleinlich ist. Vermutlich ist die Spam- und Werbesensibilität im Netz nirgendwo höher als bei den Wikipedianern. Im Vordergrund steht immer die enzyklopädische Relevanz – ein zentraler Begriff für die Arbeit mit und an der Wikipedia, den man sich merken darf.
Auch der Google Algorithmus ist nicht erfunden worden, um manipuliert zu werden. Trotzdem existiert eine ganze Branche, die darauf spezialisiert ist, Webseiten technisch und inhaltlich für eben diesen Algorithmus aufzubereiten – die Suchmaschinenoptimierer. Sowohl bei der Suchmaschinenoptimierung als auch bei der Wikipedia geht es darum, sich innerhalb der vorgegebenen Richtlinien zu bewegen und im Sinne des Erfinders zu handeln. So sollte es zumindest sein. Dafür muss man aber zunächst verstehen, wie die Wikipedia tickt.
Die Vision: Zugang zum Wissen ermöglichen
Das Prinzip „Wikipedia“ ist ganz einfach: Jeder, der Internetzugang hat, kann an dem weltweiten Lexikon mitschreiben. Und das auch ohne angemeldet zu sein. Im Normalfall schreibt ein Autor einen Kurzbeitrag zu einem Schlagwort. Der Beitrag wird dann von Wikipedia-Nutzern gemeinschaftlich erweitert, aktualisiert und bei Bedarf korrigiert. Auf diese Art und Weise sollen Informationsschnipsel und Sachverstand aus der ganzen Welt zusammengetragen werden, um eine lückenlose und ständig wachsende Dokumentation unseres Wissens zu erstellen. Der freie Zugang zum Wissen ist die Vision des Projektes.
Kontrolle ist gut, Organisation ist besser
Um Fehler in den Beiträgen zu vermeiden, setzt Wikipedia auf die Kontrollmechanismen der weltweiten Community. Und das funktioniert erstaunlich gut. Es gibt genügend Spaßvögel, die Artikel mit falschen Informationen spicken, nur um zu testen, ob die Kontrollen funktionieren. Meistens dauert es nur wenige Sekunden, bis die Fehlinformationen wieder gelöscht werden. Es kommt allerdings darauf an, welche Bedeutung der jeweilige Eintrag hat. Viel diskutierte Themen und Artikel mit hoher Relevanz werden von deutlich mehr Menschen im Auge behalten, sodass es zügiger zu Korrekturen kommt.
Registrierte Mitglieder nutzen dafür die sehr bequeme Beobachten-Funktion. Sobald an einem Eintrag, der auf der Beobachtungsliste steht, eine Änderung vorgenommen wird, erhält man darüber eine Benachrichtigung und kann darauf reagieren. Manche User sind auf bestimmte Themenfelder spezialisiert und durchforsten entsprechende Einträge akribisch.
Die Hierarchie der deutschen Wikipedia sieht sechs Ebenen vor, über die man sich vom einfachen Mitglied bis zu einem der rund 300 Administratoren hocharbeitet. Für eine Beförderung ist hauptsächlich die aktive Mitarbeit ausschlaggebend. Zum Administrator muss man schließlich gewählt werden. Hinzu kommen Schiedsgerichte, Bürokraten, Stewards etc. Die Prozesse sind deutlich strukturierter, als Gelegenheits-User denken mögen.
„Ich schreib mir einen Eintrag“
Da jeder mitmachen darf, erscheint es vielen Unternehmen als einfaches Unterfangen, über sich selbst einen eigenen Eintrag zu erstellen. Schließlich darf hier jeder über alles schreiben. Das ist jedoch ein großes Missverständnis. Neue Artikel, die auf diese Art entstehen, sind normalerweise in Nullkommanichts gelöscht. Denn auch alle neuen Einträge durchlaufen die geschilderten Kontrollmechanismen.
Was die Inhalte angeht, ist die Wikipedia sehr strikt – die deutsche Division ganz besonders. Es gibt an die 150 Regeln und Richtlinien, in denen das Nutzerverhalten, aber vor allem auch die Zulässigkeit des Contents festgelegt ist.
Die vier wichtigsten Grundsätze
1. Wikipedia ist eine Enzyklopädie.
2. Beiträge sind so zu verfassen, dass sie dem Grundsatz des neutralen Standpunkts entsprechen.
3. Geltendes Recht – insbesondere das Urheberrecht – ist strikt zu beachten.
4. Andere Benutzer sind zu respektieren und die Wikiquette ist einzuhalten.
Weder Einzelpersonen noch Institutionen sollten über sich selber schreiben, da dies dem Grundsatz des neutralen Standpunkts widerspricht. Allerdings verbietet Wikipedia es nicht direkt, über sich selber zu schreiben, solange der Beitrag eben entsprechend neutral verfasst ist.
Relevanz ist nicht relativ
Einen eigenen Eintrag zu bekommen, kann schier unmöglich erscheinen. Hier kommt nämlich wieder die enzyklopädische Relevanz ins Spiel. Diese ist der Dreh- und Angelpunkt: Nur neue Artikel, die als „enzyklopädisch relevant“ eingestuft werden, haben eine Chance aufgenommen zu werden.
Die Relevanz ist bei der Wikipedia sehr genau definiert. Unternehmen, die von einem Wikipedia-Eintrag träumen, sollten sich vorab die Relevanzkriterien anschauen. Für viele Branchen gibt es eigene Bedingungen. Für alle, die sich in keiner der Sparten wiederfinden, gelten einfach die Relevanzkriterien für Wirtschaftsunternehmen:
„Als relevant für einen enzyklopädischen Eintrag gelten Unternehmen, die:
• mindestens 1000 Vollzeitmitarbeiter haben oder
• einen Jahresumsatz von mehr als 100 Millionen Euro (umrechnen) vorweisen oder
• an einer deutschen Börse im regulierten Markt oder in einem gleichwertigen Börsensegment in anderen Staaten gehandelt werden oder
• mindestens 20 Betriebsstätten im Sinne von Art. 5 OECD-MA DBA besitzen (damit sind eigene Zweigniederlassungen, Produktionsstandorte, Filialen, Ladengeschäfte eingeschlossen, nicht jedoch unabhängige Handelsvertreter oder Vertriebspartner) und dabei (als Gesamtunternehmen) wenigstens einer Großen Kapitalgesellschaft entsprechen (etwa im Sinne § 267 dHGB, §221 öUGB) oder
• bei einer relevanten Produktgruppe oder Dienstleistung eine marktbeherrschende Stellung oder innovative Vorreiterrolle haben (unabhängige Quelle erforderlich) oder
• eines dieser Kriterien historisch erfüllten.“
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Relevanzkriterien, abgerufen am 7.9.2016
Wer die Bedingungen erfüllt, kann sich an einen Artikel machen. Für alle anderen lohnt sich der Aufwand vermutlich nicht. Der Eintrag wird die Eingangskontrollen höchstwahrscheinlich nicht erfolgreich passieren, auch wenn die Relevanzkriterien von der Wikipedia selber als „hinreichende, aber nicht notwendige Bedingungen für die enzyklopädische Relevanz“ betrachtet werden.
Nennungen und Quellen: Alternativen zum eigenen Eintrag
Wer keinen eigenen Eintrag bekommen kann, hat vielleicht das gute Recht, in anderen Beiträgen erwähnt zu werden. Hält ein Unternehmen beispielsweise an einer bestimmten Technologie das Patent, könnte es in dem Artikel zu dieser Technik genannt werden. Und wer weiß, vielleicht regt diese Nennung jemanden dazu an, einen Artikelentwurf über das Unternehmen zu schreiben, der dann trotz eines Mangels an harten Kriterien als relevant erachtet wird.
Eine weitere Möglichkeit bei Wikipedia in Erscheinung zu treten sind Referenzen. Alle Fakten, Daten und Informationen in den Einträgen sollen so weit wie möglich mit Quellenangaben versehen werden. Wer einen sehr guten, sachlichen Blog betreibt und regelmäßig zu Branchenthemen veröffentlicht, kann als Quelle in thematisch passenden Wikipedia-Beiträgen aufgenommen werden. Hier ist aber besondere Vorsicht geboten. Diese Verlinkungen sind in der Suchmaschinenoptimierung sehr beliebt, die Wikipedia hat darum zu Recht ein Auge darauf. Wenn man plötzlich anfängt, sich überall als Quelle zu verlinken, landet man auf der Spam Blacklist. Nur absoluter Top-Content kommt als Quelle infrage.
Neue Artikel erstellen: Aller Anfang ist – klein
Einen neuen Wikipedia-Eintrag beginnt man am besten mit einem sogenannten Stub:
Stub (deutsch Stummel oder Stumpf): Ein Mini-Eintrag bei Wikipedia, der unter Umständen nur wenige Sätze umfasst.
Wichtig ist, dass die enzyklopädische Relevanz aus dem Text hervorgeht. Bei einem neuen Artikel über ein Wirtschaftsunternehmen sollte beispielsweise der Umsatz genannt werden, wenn dies das Kriterium ist, über das die enzyklopädische Relevanz nachgewiesen ist.
Es mag seltsam erscheinen, aber gerade solche Mini-Einträge haben oft eine größere Chance, nicht gelöscht zu werden, als ausgefeilte Texte mit 1.500 Wörtern. Denn das wird von den Wikipedianern eher als reiner PR-Versuch abgewertet. Ein Stub hingegen ist für die Wikipedia-Community eine kleine Herausforderung. Gemeinschaftlich wird dann recherchiert und ergänzt, bis ein richtiger Artikel daraus geworden ist. Und so soll es ja sein.
Neu in der Wikipedia: Nicht abschrecken lassen
Wer sich in der Wikipedia engagieren möchte, sollte sich in Ruhe umschauen. Es gibt nicht nur die Wikiquette, sondern auch jede Menge Begriffe und Ausdrücke, die sich rund um die Enzyklopädie entwickelt haben. Verschiedene Seiten bieten Hilfestellung und Erläuterungen, beispielsweise im Tutorial oder bei den FAQs für Einsteiger. Trotzdem hat man als Neuling manchmal das Gefühl, dass die Wikipedia-Community einen nicht gerade mit offenen Armen empfängt. Oft werden sogar kleinste und richtige Änderungen an bestehenden Artikeln einfach wieder rückgängig gemacht – aus purem Misstrauen. Darum ist es wichtig, sich einen Namen aufzubauen. Am besten sucht man sich Themen, bei denen man sich sehr gut auskennt und ergänzt entsprechende Artikel mit relevanten Informationen.
Unternehmen sollten öffentlich agieren
Am besten arbeiten Unternehmen als registrierte Benutzer. Alle Aktivitäten sind dann nachvollziehbar. Gerade wenn Pressestellen an Unternehmens-Einträgen editieren, ist es sogar Vorgabe, dies öffentlich zu tun. Denn Transparenz schafft Vertrauen – das gilt auch für die Wikipedia.