Exklusiv-Interview mit Kommunikationschef Christian Achilles
Die Sparkasse ist eine echte Institution und ein Unikum in der deutschen Finanzbranche. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) ist der Dachverband der Sparkassen-Finanzgruppe und vertritt damit die Interessen u. a. von 384 Sparkassen (mit über 13.000 Filialen und einer Bilanzsumme von 1.200 Mrd. €), den Landesbanken-Konzernen, Landesbausparkassen, den öffentlichen Versicherern und vielen Spezial-Finanzdienstleistern – insgesamt rund 650 Unternehmen. Mit so vielen Stakeholdern ist das auf den ersten bis letzten Blick eine große Herausforderung für das Marketing und die interne Kommunikation.
Das Motto der Marketing-Verantwortlichen heißt nunmehr: Innovativ sein! Im letzten Frühjahr hatten wir bereits über die ambitionierten Newsroom-Aktivitäten der Sparkassen-Finanzgruppe in Berlin berichtet. Im Rahmen der Vorbereitung auf die CMCX traf sich Content-Marketing.Com-Chef René Kühn mit Christian Achilles, Leiter Kommunikation und Medien, Co-Leiter Newsroom der Sparkassen-Finanzgruppe, zu einem Kurz-Interview, um über die aktuellen und zukünftigen Entwicklungen im Content-Marketing zu sprechen.
René Kühn: Lieber Christian, Du bist seit 20 Jahren der Kommunikationsleiter der Sparkassen-Finanzgruppe. Was steht heute neben unserem Interview noch in Deinem Kalender?
Christian Achilles: Für mich beginnt jeder Tag mit einer eigenen Management- und Organisationszeit. Der zweite tägliche Termin ist unsere Morgenlage über Videokonferenz mit den Kommunikatoren der Gruppe. Heute nutze ich die Konferenz für viele Treffen mit anderen Kommunikatoren am Rande. Leider kann ich wegen anderer Termine in Berlin nicht die ganze Zeit dabei sein, sondern muss schon bald wieder los.
René Kühn: Überrascht es Dich, dass Content-Marketing in den letzten Jahren einen so hohen Stellenwert erlangen konnte?
Christian Achilles: Die eigentliche Überraschung ist doch, dass es jahrelang eine so geringe Bedeutung hatte. Eine Kommunikation, die nur die eigene Marke oder eigene Produkte inszeniert, geht langfristig an den Kunden vorbei. Ich verstehe Content-Marketing wieder als eine Chance, substanzielle Inhalte aus Nutzerperspektive anzubieten. Das braucht die Kommunikation heute dringend.
René Kühn: Letztendlich ist diese Entwicklung der ausschlaggebende Grund für den neuen Newsroom der Sparkasse. Wie ist der aktuelle Stand und können Sie uns schon einen kleinen Einblick zur Größe und den Strukturen geben? Auf was dürfen sich die Sparkassenkunden und -mitarbeiter freuen?
Christian Achilles: Eigentlich war Content-Marketing nur der Anlass, aber nicht die Ursache für unseren Newsroom. Denn unter Newsroom verstehen wir die Zusammenfassung aller Kommunikationsdisziplinen – nicht nur der Content-Disziplinen, sondern auch der klassischen „Marketing“-Kampagnen. Wir haben festgestellt, dass Content-Marketing nicht einfach noch zusätzlich neben die bisherige Kommunikation gestellt werden darf, sondern integraler Bestandteil sein muss. Dazu benötigen jedenfalls wir komplett andere Arbeitsprozesse. Das hat dazu geführt, dass wir alle Einheiten organisatorisch zusammengefasst, neu gegliedert und in ein gemeinsames Arbeitsumfeld gebracht haben. Vielleicht ist der Begriff „Newsroom“ dafür gar nicht so ganz passend. Denn den Content liefert im Newsroom bei uns der „Newsdesk“ – aber eben als integraler Bestandteil eines gesamten Kommunikationsprozesses. Der Newsroom der Sparkassen-Finanzgruppe ist ein Gemeinschaftsbetrieb vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband einerseits und der Sparkassen-Finanzportal GmbH andererseits. Dort arbeiten künftig auf rund 2.200 qm zwischen 75 und 90 Kommunikatoren.
René Kühn: Wie sieht die allgemeine (Content-)Strategie aus, die die Basis für den Newsroom bildet? Wie lange hat der Prozess gedauert, um die Marschrichtung festzulegen?
Christian Achilles: Wir arbeiten inzwischen seit rund drei Jahren an einer stetigen Verbesserung unserer Content-Strategie. Das ist keine Veränderung, die man auf Knopfdruck herbeiführen kann. Denn es geht letztlich um eine Veränderung der Grundeinstellung der Kommunikation: Die gesamte Kommunikation muss bereit sein, Geschichten und auch Produkte aus Perspektive der Nutzer zu erzählen. Das ist ein wirklich schwieriger Lernprozess für alle Beteiligten. Deshalb gibt es bei uns auch keinen Unterschied mehr zwischen Marketing, Kommunikation, PR – oder was man sonst früher alles so an Teildisziplinen hatte.
René Kühn: Wie sieht bei der Sparkasse zukünftig eine klassische Kampagne aus und welchen Part übernimmt das Content-Marketing darin? Werden die Distributionskanäle zentral gesteuert?
Christian Achilles: Jede Kommunikationsplanung beginnt bei uns mit dem Strategischen Themen- und Markenmanagement. Dort werden Themen aus Kundensicht identifiziert, auf das Kommunikationspotenzial hin bewertet und mit Briefings und KPI’s versehen. Die operative Verantwortung für alle Kommunikationsthemen – bei uns 11 – übernimmt das Kampagnenmanagement. Dort führt jeweils ein Kampagnenmanager ein gesamtes Themenfeld, führt das Thementeam aus unterschiedlichen Spezialisten und auch die Agenturen. Content wird im Rahmen einer Jahresplanung am Newsdesk bestellt. Dieser ist auch für aktuellen Content zuständig. Und alle Kanäle – paid, owned und earned – werden einheitlich von der Media-Einheit gesteuert.
René Kühn: Aus welchen Budgets werden die Ressourcen des Newsrooms finanziert? Media, PR oder gibt es ein zentrales Content-Marketing Budget? Und die spannendste Frage: In was wird der Erfolg gemessen?
Christian Achilles: Bei uns gibt es nur ein einheitliches Budget für die sog. Gemeinsame Sparkassen-Kommunikation. Das wird von allen unseren Instituten gemeinsam aufgebracht und kann bei uns frei nach Notwendigkeit auf Themen, Kanäle, Zielgruppen und Formate hin geplant werden. Bei uns gibt es keine Restriktionen mehr nach dem Motto: Das ist das Budget dieser oder jener Einheit und deshalb ist dort keine Änderung möglich.
René Kühn: Die Reichweite und Verweildauer der User, die derzeit Unternehmen von den etablierten (journalistischen) Medien erhalten wird größer. Spielen gesellschaftliche Bildung und das Thema Haltung eine Rolle in der Unternehmenskommunikation? Sie selbst waren früher ja sehr nah am politischen Geschehen.
Christian Achilles: Die relevanten Dimensionen unserer Kommunikation sind Leistung und Haltung. Unsere Leistungen – Produkte und Services – müssen so erzählt werden, dass sie für unsere Kunden nachvollziehbar deren Leben einfacher machen. Nur dazu gibt es ja Finanzdienstleistungen. Diese sind ja kein Selbstzweck. Jeder Kunde will eigentlich etwas ganz anderes und kann dieses eigentliche Ziel nur mit Hilfe von Finanzdienstleistungen erreichen. So zurückhaltend müssen wir unsere Leistungen auch an der richtigen Stelle ins Spiel bringen. Und Haltung ist für uns entscheidend, weil Sparkassen gegründet worden sind, um allen Menschen finanzielle und wirtschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Das ist heute das zentrale politische Thema im Zuge von Globalisierung und Digitalisierung. Daneben verantworten wir natürlich auch aktivierende, performance-getriebene, die direkt zu einer Aktion von Kunden führen sollen.
René Kühn: Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft: Du gewinnst eine Reise zum roten Planeten und darfst das Raumschiff mit drei von Dir gewählten Unternehmern betreten. Wer wird neben Dir ein Marsianer?
Christian Achilles: Ich würde erstens einen gestandenen Familienunternehmer mitnehmen, weil der genau weiß, wie wichtig Bodenständigkeit, Kundenfokussierung und Partnerschaft mit eigenen Mitarbeitern ist. Zweitens brauche ich einen digitalen „Spinner“, der viel ausprobieren will. Drittens wäre ein Zukunftsforscher gut, der künftige Megatrends erkennen kann. Managen würde ich das Ganze am liebsten selbst. Zuhause lasse ich die Controller.
Lieber Christian Achilles, herzlichen Dank für die spannenden Einblicke. Wir sehen uns sehr bald auf der CMCX in München wieder und freuen uns auf den tiefergehenden Content!